Karin Schneider-Jundt – Liedermacherin & Autorin im Rheingau

Illustration einer Sonne

Lebenslieder ⋅ Karin Schneider-Jundt

Liedbotschaften

Suche.
Lebenssinn.
Engel.

Liedbotschaften: Karin Schneider-Jundt spielt Gitarre

Sie sind es, für die ich singe…

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Die folgenden Erlebnisse schildere ich einzig und allein um anderen Menschen auf der Suche nach einem sinnerfüllten Leben, oder denjenigen, die sich in einer offenbar hoffnungslosen Situation befinden, Mut und Hoffnung zu machen, einen Denkanstoss zu geben. Die Erfahrungen mit meinen Liedern haben mich selber tief bewegt und mich aufgefordert, trotz Mühsal, Zweifel und Demütigungen an ihrer Preisgabe festzuhalten.

Inhaltsverzeichnis

Wie alles begann

Was ist zuerst da, Text oder Melodie, werde ich oft gefragt. Ich habe lange überlegt. Keines von beiden. Ein Akkord meiner Gitarre, ein Rhythmus, eine Emotion und diese Emotion drückt sich dann in Worten aus, deren Träger die Melodie ist, wie beispielsweise: Ich will leben ohne Angst – Meine Seele hungert – Hilf mir, Herr – Ich gehöre niemandem – Lebe – Jetzt –. Nie wäre es mir in den Sinn gekommen jemals etwas mit Musik anzufangen. Außer ein paar Noten vom Klavierunterricht in meiner Kindheit kenne ich mich in Musiklehre nicht aus.

Meine Großmutter schenkte mir nach meiner Hochzeit eine Gitarre, weil ich immer schon Gitarre anstatt wie gezwungenermaßen Klavier, lernen wollte, eine Wandergitarre, die auf einem Schrank vor sich hin staubte, weil ich dafür weder Zeit noch Muße hatte. Erst als meine Töchter groß genug waren, erst als ich körperlich und seelisch völlig ausgelaugt war, erst als Gott mir die Hütte im Thüringer Wald schenkte und ich mich dorthin in die Einsamkeit zurückzog, wollte ich mir eines Tages ein paar Griffe beibringen. Das Ergebnis war, dass ich mir das Handgelenk verzerrte und erst ein halbes Jahr später einen erneuten Versuch wagte.

Ich liebe die Songs von Leonard Cohen und ganz besonders: „Like a bird on the wire…“. Den wollte ich gerne auf der Gitarre lernen. Da ich das Gitarrenspiel aber nicht nach Noten lernte, sondern mir einfach so ein paar Akkorde beibringen wollte, versuchte ich es mit den einfachen Dur Griffen D A G. Das klappte natürlich nicht, aber eine andere Melodie entwickelte sich auf einem Spaziergang in mir. Da ich keine Noten aufschreiben konnte, sang ich sie auf meinen Kassettenrekorder. Auf einem Spaziergang mit meinem Hund quollen dann die Worte: „Wie ein Vogel in der Nacht bin ich aus dem Schlaf erwacht und mein Herz schrie vor Einsamkeit zu Dir….“

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Mein erstes Lied: „Wie ein Vogel in der Nacht“ war nun entstanden.

Mein erstes Lied: „Wie ein Vogel in der Nacht“ war nun entstanden. Und verborgene Emotionen quollen in mir an die Oberfläche, wie ein Dammbruch, in Form von Liedern: Ich gehöre niemandem, Kräftedieb, Warum, Trost, Träume….
Ich war ratlos. Zu oft hatte ich geklagt, nur mittelmäßig zu sein und andere um ihre Gaben beneidet. Nun wusste ich nicht was mit diesem unerwarteten Geschenk zu machen. Meine Familie und die nähere Umgebung reagierten anfangs recht desinteressiert, aber Freunde waren begeistert. Meine damals totkranke Freundin Barbara setzte meine ersten Lieder in Noten und bat mich bei ihrer Beerdigung zu singen, falls ich das schaffen könnte. (Ich schaffte es. Auch am Sarg meines Mannes und meiner Mutter zu singen. Was man „als unmenschliche Forderung“ empfand. Doch mit Gottes Hilfe ist alles möglich.).

Ich bat danach einen langjährigen Freund unserer Familie, einen bekannten Musiker, einen Organisten, der in der ganzen Welt Konzerte gab, um Unterstützung. Doch er riet mir zuerst aufs Konservatorium zugehen, Gesangsunterricht zu nehmen und Deutsch zu studieren. Meine Lieder seien zu Gähnen langweilig, nichtssagend. Das saß! Ich wollte aufgeben.
In meiner evangelischen Kirchengemeinde, wo mein Mann im Kirchenvorstand war, ich lange Jahre im Kirchenchor, dort wo meine Kinder getauft und konfirmiert wurden, durfte ich, als ich meine ersten Lieder hatte, niemals singen. Obwohl die Gemeindemitglieder immer ermahnt wurde, sich mit ihren Gaben einzubringen. Eine Pfarrerin meinte, die Lieder seien zu „emotional“. Ich solle lieber bei einer Gemeindewanderung „Hoch auf dem gelben Wagen“ und derartige Lieder zur Unterhaltung singen. Ich verstand nichts. Gott ist die Liebe, Liebe ist eine Emotion. Wie soll man sonst die Seele eines Menschen erreichen???

Nun griff P. Christian, ein Franziskanerpater und Freund unserer Familie, ein,

Nun griff P. Christian, ein Franziskanerpater und Freund unserer Familie, ein, der sich bis dahin zurückgehalten hatte, um mich meiner eigenen Gemeinde nicht zu entfremden. Er forderte mich auf, in seinen Gottesdiensten zu singen.
Da sagte ich mir: „Da, wo man Dich nicht haben will, schüttle den Staub von Deinen Füßen und geh.“
Oftmals überforderte mich jedoch die ganze Entwicklung, ich schien ihr ausgeliefert zu sein, noch dazu, dass ich völlig unbewandert mit den Ritualen der katholischen Kirche war. Heute verstehe ich das so seltsam anmutende Schicksalsspiel, mich mit einem katholischen Priester zur Zusammenarbeit zu verpflichten. Ich sah es als Gottes Willen an, von nun an für die Ökumene zu arbeiten.
Denn Menschen, die von meinen Liedern berührt werden, hören anscheinend das Wesentliche, das Eigentliche, das ich herüberbringen möchte heraus: Nicht meine, sondern Gottes Botschaft. Wenn ich singe, dann singe ich mit meiner Seele, und diese bringt die Seelen der Zuhörer zum Schwingen.

Dennoch geschah es immer wieder, dass Musikexperten meine Lieder als nicht medientauglich, zu emotional, zu schwer verdaulich und zu langweilig „zerrissen“ oder: „Ach, wieder so eine „Möchtegern-Emanze, die ihre pseudochristlichen Lieder zum Besten geben will, “ erklärten. Meine junge Gesangslehrerin, bei der ich zur Sicherheit ein paar Gesangsstunden nahm, sagte mir eines Tages: „Singe Du deine Lieder und lass Dich nicht beirren. Sie kommen aus Dir heraus und nur Du kannst sie wirklich interpretieren. Und wenn jemand extra zu Dir hochkommt nach dem Vortrag, um Dich zu kritisieren, dann musst Du wissen, dass er persönliche, negative Emotionen an Dir abreagieren möchte. Die anderen Zuhörer bewundern Dich für den Mut, Dich preis zu geben.“

Als die ständige Nachfrage nach einem Liederbuch aufkam, ergaben sich neue Probleme, sowohl praktischer als auch finanzieller Art. Pater Christians aufmunternde Worte: „Gott wird auch dafür sorgen“, beruhigten besonders meinen Mann anfangs keineswegs.

Karin Schneider-Jundt auf Benefizkonzert
Franziskanischer Gebets- und Singkreis mit einer Liedbotschaft in der Wallfahrtskirche des Klosters Marienthal/Rheingau

In mühevoller Handarbeit entstand ein Liederbuch,

In mühevoller Handarbeit entstand ein Liederbuch, nachdem mir der Klavierlehrer meiner Töchter und eine Organistin aus Leipzig, die zufällig zu der Zeit in Thüringen bei Pater Christian war, anhand von Audiokassetten die Noten der Lieder schrieben. Meine Mutter, die schon lange den Wunsch hegte, gemeinsam mit mir etwas zu gestalten, unterstützte mich großzügig mit ihren Bildern und auch finanziell. „Endlich werde ich rehabilitiert“, sagte sie glücklich, eingedenk ihrer Deportation einst nach Russland.

Als nächstes wollten die Menschen die Lieder mit nach Hause nehmen bzw. zu Hause hören können. Also mussten wir CDs erstellen. Es war wieder Gottes Humor, dass gerade mein Mann, der sich eigentlich große Sorgen machte über das immer größere Ausmaß der Liederentwicklung, eines Tages kam und sagte, dass ein Kollege in unserer Gegend ein Aufnahmestudio eröffnet hatte und uns sehr gerne als „Testpersonen“ annehmen würde. Das war für Pater Christian und mich eine sehr lehrreiche Sache, um in diese neue Welt eingeführt zu werden. Da entstand unsere erste, ganz einfache CD „Berührungen“, auf der ich auch noch selbst Gitarre spielen musste. Schritt für Schritt wuchsen wir in die Arbeit hinein. 

Nach dem P. Christian sah, was sich im Laufe der Zeit durch die Lieder entwickelte und danach drängte, sich zu entfalten, bat er um Rückversetzung aus Thüringen in den Rheingau. So begann die Geschichte unter anderem mit der Liedbotschaft, dem Gebets und Singkreis, den Liedseminaren, der Produktion der 8 CDs in einem Wiesbadener Tonstudio….

Was habe ich also nun durch und mit meinen Liedern gelernt?

Folgendes Bibelzitat verdeutlicht das am besten:

„Du hast mich geschaffen mit Leib und Geist, mich zusammengefügt im Schoß meiner Mutter, dafür danke ich Dir. Es erfüllt mich mit Ehrfurcht. An mir selbst erkenne ich: Alle Deine Taten sind Wunder! Ich war Dir nicht verborgen, als ich im Dunklen Gestalt annahm. Du sahst mich schon fertig, als ich noch ungeformt war.“

Meine Lieder haben mich dieser Wahrheit näher gebracht. Ich lernte durch die Aufgaben, die sie an mich stellten, ganz neue Stärken und Fähigkeiten an mir kennen und ihnen mehr und mehr zu vertrauen. Mein Anliegen, Menschen Mut zu machen, ihre von Gott verliehenen Gaben zu erkennen und einzusetzen, wurde erfüllt. Durch die Reaktion der Menschen, durch die wieder erwachte Hoffnung in ihren Augen, durch ihr Lachen, durch ihr Weinen, beweisen sie mir das. Und das empfinde ich als große Ehre.
Heißt es nicht „An Ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“?

Ich weiß, dass meine Lieder mein Lebenswerk sind. Und eines Tages – vielleicht erst in vielen Jahren – werden sie erfolgreich sein, denn in ihnen steckt viel Herzblut, Begeisterung und der tiefe Glaube, dass in jedem von uns etwas Kostbares ruht, Gott selbst, das zur Entfaltung drängt. Gottes an mich und Menschen.

Menschen, die auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind – sie sind es, für die ich singe.

Zitate aus Briefen:

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Die Welt wird zurzeit von Krieg, Umweltkatastrophen erschüttert und die Menschen geraten in Not, Verzweiflung, Unfrieden. Wo gibt es Trost, Zuversicht, Hilfe für die Seele

„Dort, wo Gott, das Geheimnis, in mir wohnt, da bin ich mitten in der Ungeborgenheit und Ungesichertheit der Welt trotzdem geborgen.“

(Anselm Grün)

Diesen Spruch las ich heute in einem Kalender.
Jetzt begreife ich und Frieden kehrt in mich ein: Gott, das Geheimnis in mir, will mich aufrütteln mit den Briefen und Texten, die hier vor mir liegen und mir einst den Mut gaben an meine Liedbotschaft und somit an mich und meinen Wert auf dieser Welt zu glauben, auch wenn Experten mich niedermachten oder sogar sagten, Gott hätte in seiner Großmut auch schon mal eine Eselin als Botin genommen.
Ich bin gerne seine Eselin, weil ich durch ihn erfuhr was bedingungslose Liebe bedeutet.
Davon werde ich jetzt Zeugnis ablegen:

Lieber Pater Christian, liebe Frau Schneider,

ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, was Sie mit Ihren Liedern erreichen können. Aber ich fühle mich verpflichtet, es Ihnen aus meiner Sicht zu erklären.
Sie haben erreicht, dass ich nach fast 4 Jahren wieder in der Lage bin etwas zu empfinden. Nach dem Tod eines sehr lieben Menschen, nach kurzer schwerer Krankheit, verbunden mit viel Leid, war es mir nur schwer möglich irgendetwas zu empfinden. Weder Freude noch Schmerz. Ich hatte das Gefühl, dass jede emotionale Regung einen Meter vor mir Halt machte, aus Angst noch einmal so tief getroffen zu werden. So als sei meine Seele aus Stein.
Mit jemandem darüber reden? Wem sollte ich das erklären können. Dazu kam der Alltag, den ich mit so viel Arbeit zupackte, nur um nicht nachdenken zu müssen. Ich denke, dass niemand mir diese seelische Not anmerkte, ich war gut im Verbergen. Und ich weiß auch nicht, ob es jemand so interessiert hätte, wie es für mich nötig gewesen wäre, und ich für Hilfe überhaupt offen gewesen wäre.
Vor einem Jahr, Weihnachten 1999, hörte ich Ihre Lieder zum ersten Mal.
Wieder daheim wurde mir erst bewusst, was ich gehört hatte. Ich wusste nicht ob es ein zweites Mal geben würde. Ich trug Ihre Lieder wirklich in mir, soweit das nach einmaligem Hören möglich war. Wusste dabei nicht, wie tief sie mich damals bereits erreicht hatten.


Sie auch in diesem Jahr zum Weihnachtsfest zu hören war wie ein kleines Wunder für mich.
Ich brauche Gott in meinem Leben. Und so denke ich, dass es sein Wille war, mich gerade zu diesem Zeitpunkt wieder nach Marienthal zu bringen, um Sie beide zu hören. Ich möchte es einfach (ganz kindlich) so sehen, weil es gut tut.
Ich werde dieses Gefühl, dieses Empfinden, niemals in meinem Leben vergessen! Das klingt vielleicht übertrieben. Aber ich kann es nicht anders erklären. Meine Seele fängt ganz, ganz langsam an wieder zu leben.
Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen meinen Namen nicht nenne, ich bin kein besonders mutiger Mensch, aber ich denke, das ist auch nicht wichtig. Mir ist nur wichtig, dass Sie und auch Frau Schneider wissen, was Ihre Lieder und Texte erreichen können. Sie sind etwas ganz Besonderes in unserer heutigen Zeit. Ich hoffe und wünsche mir, und auch Ihnen, dass viele Menschen so erreicht werden, wie das mit mir passiert ist.
Danke, dass es eine CD gibt.
Danke und Gottes Segen für Sie Alle!

Weihnachten 2000 G

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Momentaufnahmen

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Jubiläumsgottesdienst von Pater Christian in der kleinen katholischen Kirche von Schmalkalden/Thür

Es ist das erste Mal, dass ich öffentlich singen soll. Ich sitze oben auf der Empore mit meiner einfachen Wandergitarre, die ich noch dazu kaum beherrsche, die Lieder mit den Liedtexten handschriftlich auf Zetteln und zittere. Im Singen ungeübt, unsicheres Gitarrenspiel – was werden die Kirchenbesucher wohl denken???? Und noch dazu bei einer so großen Feier? Warum bin ich immer so gehorsam? Warum wehrte ich mich nicht gegen Pater Christians Bitte zu singen? Ich werde ihn, seine Verwandten, meinen Mann, die Mitbrüder, die Kirchenbesucher, blamieren.

Doch anschließend kommt ein großer Mann aus einer Behindertenwerkstatt, der den Gottesdienst auf seinem Akkordeon neben mir untermalte und meinte ernst: „Du hast eine Stimme wie ein Engel und wirst damit noch einmal berühmt werden.“ Ich nahm ihn natürlich nicht ernst. Ich war schließlich weder eine ausgebildete Sängerin noch hatte ich auch nur im Entferntesten vor jemals eine solche zu werden. Und gar eine irgendwie auffallende Stimme besaß ich nun wirklich nicht. Aber den ganzen Nachmittag verfolgte er mich mit den Worten: „Du singst wie ein Engel.“ Die einzige Erklärung für dieses seltsame Verhalten konnte in meinen Augen nur Gottes Humor sein (von da an bezeichnete ich alle seltsamen Aufforderungen Gottes als seinen Humor) mir einen einfältigen jungen Mann an die Seite zu stellen, um mich „bei Fuß“ zu behalten. Im Laufe der Jahre lernte ich allerdings, dass man Gottes „Humor“ lieber sehr ernst nehmen soll und bekam jedes Mal einen Schreck oder seufzte schicksalsergeben, wenn er sich auf diese besondere Weise bei mir anmeldete. Ich war nie eine willige Dienerin!!! Nicht, dass er mir tatsächlich die Stimme eines Engel verlieh, sondern dass er sie offenkundig in manchen von ihm ausgesuchten Menschen offenbar solcherart erklingen lässt.

Noch unheimlicher wurde es mir zumute, als mir plötzlich zwei Dinge einfielen: Bis zu dem Moment, als ich mein erstes Lied „machte“, konnte ich nämlich jahrelang nach einer Schilddrüsen-OP gar nicht mehr singen da etwas an meinen Stimmbändern beschädigt wurde und mussten sogar den Kirchenchor in meiner Gemeinde verlassen. Das war für mich sehr traurig, denn Singen hatte mir immer von Kindheit an viel Freude bereitet und eine der schönsten Zeiten waren für mich die zwei Jahre in Leipzig, als ich im Rundfunkkinderchor sang. Meine Urgroßmutter, selbst einst eine ausgebildete Sängerin, hatte mich dort angemeldet.
Waren das alles lediglich Zufälle???

Und es ging so verrückt weiter in Schmalkalden. „Hier kommt die Frau mit der göttlichen Stimme“, rief mir ein alter Mann auf dem Marktplatz entgegen, als ich zum Reformationsfest, dieses Mal in der großen Pfarrkirche von Schmalkalden, gesungen hatte. „Wo ist die Frau mit der unglaublichen Stimme? Gibt es davon keine CD? Ich muss diese außergewöhnliche Stimme unbedingt noch einmal hören“, sagte ein anderer Kirchenbesucher zu meinem Mann.
Ich kam mir nun geradezu veralbert vor und gewöhnte mich nie daran. Schließlich hatte mir ein Musikprofessor eines Tages streng gesagt, ich solle gefälligst erst einmal Musik studieren bevor ich mit meinen dilettantischen Liedern an die Öffentlichkeit ging und deren Ohren beleidigte.
Ich gewöhnte mir mit der Zeit an, mich heimlich nach einer Veranstaltung zu „verdrücken“, wenn meine Anwesenheit nicht unbedingt notwendig war.

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Eine Andacht in der Kirche im Kloster Marienthal

In der vorderen Reihe sitzt eine Familie mit einem erwachsenen, schwerstbehinderten Sohn im Rollstuhl. Zaghaft hatten sie sich vor einiger Zeit das erste Mal in die Kirche gewagt aus Angst, dass der Sohn durch seine unkontrollierten Schreie die Gemeinde und die Andacht stören könnte. Sie kannten den Chor nur aus den Auftritten im Pfarrgarten. Doch es ging gut und als die beiden die nächsten Male kamen, war der Sohn sogar auffällig ruhig. Heute nun, als wir das erste Lied anstimmen, stieß er einen Ruf aus, so, als würde er uns erkennen, steckt einen Finger in den Mund und blieb eine Stunde ganz still in dieser Haltung. Ich war tief ergriffen.
Er, der blind, taub, mit einem viel zu kleinen Kopf auf die Welt kam, also schwerstbehindert und völlig unzugänglich war, hatte reagiert, die Stimmen scheinbar erkannt. Seine Mutter bat mich, ob ich nicht für sie und ihren Jungen ein Lied machen könnte. Es sei alles so schwer und sie hätte Angst, ihn mehr und mehr zu verlieren. Kurz nach der Geburt hätte er sie lange still angesehen und dann bald darauf völlig den Kontakt zur Außenwelt verloren. Niemand wusste was und ob er überhaupt etwas fühlte, wahrnahm, hörte, aufnahm. Es erschütterte mich tief und ich versuchte ihre Erzählung in Wort und Melodie zu fassen:

Wo bist du, mein Kind?

Wer hört noch mein Klagen, wer hört noch mein Klagen?
Die Tränen erfroren, verstummt Trotz und Fragen.
Die Antwort blieb offen nach jenem “W a r u m”.
Der Alltag er siegte, der Himmel blieb stumm.

Wo bist du, mein Kind, wo bist du, mein Kind?
Komm, gib mir ein Zeichen, mein Herz wird sonst blind.
Ich hab´ dich getragen, das Leben geschenkt.
Und doch lebst du in einer ganz andren Welt.

Was siehst du, mein Kind, was siehst du, mein Kind?
Ich möchte dich fassen, doch dein Blick wurde blind.
Nur kurz durfte ich in die Augen dir schauen.
Da sahst du mich an voller ernstem Vertrauen.

Was hörst du, mein Sohn, was hörst du, mein Sohn?
Mein Herz ruft aus Liebe – erkennst du den Ton?
Ich möchte dich schützen, vor Schmerzen bewahren.
Doch du kämpfst allein gegen fremde Gefahren.

Was fühlst du, mein Junge, was fühlst du, mein Junge?
Ich weiß es ja längst, sie bleibt stumm, deine Zunge.
Ich möchte dich halten, dein Inn‘res berühren.
Du bleibst doch mein Kind, auch wenn wir uns nicht fühlen.

Verzeih mir, mein Kind, verzeih mir, mein Kind.
Das Leben geht weiter, die Zeit, sie verrinnt.
Vielleicht eint die Liebe uns auf unsren Wegen –
Ich bitte Gott inständig um seinen Segen.

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Eine Freundin möchte mich gerne besuchen,

Eine Freundin möchte mich gerne besuchen, traut sich aber nicht, da ihr 18-monate alter Sohn überaus lebhaft ist, und sie Angst hat, dass er unser Wohnzimmer auf den Kopf stellt. Als der Kleine nach anfänglichem „Fremdeln“ allzu neugierig die Umgebung zu erforschen sucht, spiele ich ein Lied von meiner CD „Berührungen“ ab. Wie angewurzelt bleibt er mitten im Zimmer stehen und lauscht. Als der letzte Ton verklungen ist, deutet er mit dem Finger auf das Gerät – ich soll wieder einschalten. Seine Mutter ist völlig verblüfft! Ich ebenfalls.

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Eine Weihnachtsfeier für Obdachlose am 23.12. in der Teestube der Diakonie in Wiesbaden

Eine Weihnachtsfeier für Obdachlose am 23.12. in der Teestube der Diakonie in Wiesbaden. Wir sind eingeladen, um dort zu singen. Anfangs hatte ich zugegebenermaßen Angst vor den Anwesenden. Angst, dass sie mich verachten, beschimpfen, angreifen könnten durch die enthemmende Wirkung der Drogen und Alkohol.  Große Essen, Musikeinlagen, Presse, Spendenscheck, Pfarrer beider Konfessionen. Außer den Betreuern unterhält sich niemand mit den Betroffenen. Nach dem formellen Teil gehen die meisten der Offiziellen. Da beginnen Pater Christian und ich zu singen. Am Schluss legt Pater Christian jedem einzelnen die Hände zum Segen auf, während ich mein „Segenslied“ singe.

Heile mich Vater, segne mich Gott.
Heile mein Herz, meine Seele, den Leib.
In Deine Hände leg ich nun mein Leben,
Heiland und Schöpfer, erfülle Dein Wort!
Heile und segne mich Gott.

Zu meinem Erstaunen lassen sich die allermeisten segnen. Manch einer weint. Als ich das sehe, umarme ich diejenigen, die zu mir kommen, lasse mich umarmen. Einer der Männer klammert sich schluchzend an mich: „Danke, danke. Du bist ein Engel, Du bist ein Engel. An seinen Liedern erkennt man die Seele eines Menschen.“ Ich weiß nicht, wie lange das „Gerührt sein“ bei ihm anhielt, doch für einen Moment wurden diese hoffnungslosen Menschen berührt und ahnten eine andere Wirklichkeit.
In ihren Werkstätten werden unsere Kreuze „Ein Kreuz zum Anfassen“ angefertigt, deren Erlös dann zum großen Teil an Initiativen gegen sexuellen Missbrauch fließt. Manchmal kam einer der Obdachlosen zu mir und zog eines dieser Kreuze, das an einem Lederband getragen wurde, unter dem Hemd hervor und zeigte es mir heimlich als Zeichen der Zugehörigkeit.

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Exerzitien in einem Kloster

Das erste Mal hier von Pater Christian mitgeschleppt. Eine Reihe Ordensschwestern, 40 an der Zahl, sitzen mir bewegungslos und todernst gegenüber. Ich bin völlig verunsichert. Ich, eine blutige Anfängerin was Auftritte, Klöster, öffentliches Glaubensbekenntnis betrifft. Noch dazu eine Protestantin?! Was werden sie denken, wenn ich ihnen als Laie von Glauben, Vertrauen, Güte, Verzeihen und Gottes Liebe singe? Ich möchte einfach aufspringen und weglaufen. Schiele zur Tür.  Da fallen mir die Worte von Liza Fitz ein: „Da, wo die Angst ist, da geht’s lang.“ Und: Man muss die Angst umarmen. Also gehe ich in der Pause auf die Nonnen zu und umarme sie, eine nach der anderen, alle 40! Und es geht ein Lächeln über die Gesichter. Sie erwidern die Umarmung. Und anschließend höre ich Worte wie: „Durch Ihre Lieder finde ich wieder zu Gott-Vater“ oder „ich kann jetzt wieder beten, was mir lange unmöglich war“. Die Oberin sagt zu mir: „Dieses lebendige Zeugnis tut uns so gut, denn oft ist unser Glaube schon ganz eingetrocknet. Nur noch Theorie, ein Automatismus.“ Das berührt und beschämt mich fast.

Im Laufe der Jahre sollte ich noch in vielen Klöstern singen, Liedseminare halten, Beichtgespräche hören und selbstsicherer werden. Manche Ordensschwestern vertrauten sich mir an, mit einigen blieb ich auch privat befreundet, wiederum andere wurden durch meinen Liedern „aufstacheln“, wie die Oberen sagten und darum nicht mehr eingeladen. Aber diesen ersten Besuch in einem Kloster werde ich nie vergessen.

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Während eines meiner Liedseminare

Ich stimme ein Lied an, von dem ich weiß, dass es unbekannt und noch auf keiner CD zu finden ist – „Weine nicht“. Mit einem Mal haken sich einige der Teilnehmer unter, wiegen sich zu der Melodie und singen mit, teilweise sogar mit Text. Ich komme fast aus dem Takt durch die Überlegung, ob ich das Lied nicht doch schon einmal veröffentlicht habe. Alle klatschen. Auf Nachfrage, woher sie das Lied kennen, erhalte ich als Antwort: „Wir kennen es nicht, aber es spricht so aus dem Herzen, dass man gleich mitsingen kann“.  Manchmal hat es offenbar doch ein paar Vorteile ein Dilettant zu sein!!!

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Ein Gottesdienst in Marienthal.

Während wir singen beginnt ein junger Mann in der ersten Reihe zu weinen und krümmt sich zusammen. Die ganze Stunde bleibt er in dieser Haltung. Ich bin betroffen. Später erfahre ich, dass er darüber dankbar und glücklich ist weinen zu können, und sich wie befreit fühlte. Dieses Weinen der Menschen bereitete und bereitet mir teilweise noch immer Probleme. Ich möchte die Menschen doch froh und hoffnungsvoll machen aber immer wieder sehe ich Tränen. „Mama, was machst du mit den armen Menschen“, fragten mich sogar meine Töchter vorwurfsvoll.

Eines Tages entstand eins meiner schwungvollsten Lieder: „Ich will leben ohne Angst“ und ich meinte, die Menschen damit aufzumuntern. Doch bei diesem Lied fließen die allermeisten Tränen. Schließlich wurde ich völlig verunsichert und wollte nicht mehr auftreten. Aber viele meiner Zuhörer trösteten mich und versuchten mir diese Reaktion zu erklären:
„Freue dich doch darüber. Jahrelang sehnte ich mich danach, weinen zu können – etwas in mir ist aufgebrochen, aufgetaut, ich kann wieder atmen, etwas Neues beginnt sich in mir zu regen, ich fühle mich plötzlich von einer Last befreit. Du hast etwas in mir berührt, von dem ich gar nicht wusste, dass ich es besitze.“
So und ähnlich lauteten die Kommentare.
„Tränen sind ein Geschenk des Himmels“, sagte ein Priester zu mir. Nennen mich vielleicht deshalb so viele einen Engel? Ich bin verstört und ratlos.

Dann komponierte ich ein Lied für Kinder – „Es gibt sie doch die Prinzen“ – und spielte es erwartungsvoll einem achtjährigen Mädchen vor, da ich wusste, dass ihre Eltern auf ihr unermüdliches Drängen zusätzlich fürs Autoradio Kassetten erwerben mussten, weil sie und ihr kleiner Bruder nur meine Lieder hören wollten. „Gefällt dir das Lied und willst du es noch mal hören“, fragte ich die Kleine erwartungsvoll. Sie nickt. „Ja, aber ich muss dabei weinen“, erhielt ich zur Antwort.
Das war zu viel. Ich wusste mir keinen Rat mehr.

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Eine Schwester, die in einem Behindertenheim arbeitet,

Eine Schwester, die in einem Behindertenheim arbeitet, steht morgens um 4 Uhr auf. Als erstes legt sie sich selbst das Lied „Gottes Traum“ auf, meditiert dazu. Dann beginnt sie ihren schweren Dienst. Jeden Morgen wird sie von einigen ihrer Pfleglinge mit der energischen Aufforderung empfangen, das Lied „Vertrauen“ aufzulegen, dazu zu singen und zu tanzen. Danach andere Lieder. Die arme Frau. Das am frühen Morgen!!! Ich bin ganz schuldbewusst. Das Liederbuch wird mittlerweile auswendig zitiert. – Ein Ritual –

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Ein anderes geistig behindertes Mädchen kommt mittags aus der Schule

Ein anderes geistig behindertes Mädchen kommt mittags aus der Schule und will sofort die CD „Berührungen“ hören. Sie läuft täglich bis zu fünf Stunden. Die Eltern sind entnervt, verstecken die CD und kaufen andere Musik als Abwechslung. Nichts nützt. Ich bin froh, den bedauernswerten Eltern endlich die zweite und dann dritte CD anbieten zu können.

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Eine Frau, die eines Schocks wegen jahrelang keinen Ton mehr gesungen hat,

Eine Frau, die eines Schocks wegen jahrelang keinen Ton mehr gesungen hat, wird durch meine Lieder so berührt, dass sie sofort alle drei CDs erwirbt und sie die ganze Nacht hört und mitsingt. Am nächsten Tag hat sie eine Stimmbandlähmung! Ich frage mich, ob ich Schuldgefühle bekommen sollte!!!! Etwa wieder Gottes Humor???

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Eine Bekannte beklagt sich, dass ihr Mann ständig die CD „Berührungen“

Eine Bekannte beklagt sich, dass ihr Mann ständig die CD „Berührungen“ in voller Lautstärke laufen lässt, während er seinem Hobby nachgeht. Ich bin verblüfft. Er erschien mir immer eher zurückhaltend, skeptisch und fast zynisch.

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Eines Tages bekamen wir unerwarteten Besuch von einem deutschen Ehepaar aus Afrika,

Eines Tages bekamen wir unerwarteten Besuch von einem deutschen Ehepaar aus Afrika, das gerade zu einem Aufenthalt in Deutschland weilte. Die beiden wollten uns berichten, dass der Mann mir und meinen Lieder sein Leben verdanken würde. Offenbar litt er an einer Erkrankung, die mit schweren Medikamenten behandelt werden musste. Doch der Entzug von diesen Wirkstoffen verlief so dramatisch, dass er sich in der Wohnung im 17. Stock einschloss, niemanden an sich heran ließ und aus dem Fenster springen wollte. 5 Tage lang ließ er ständig eine meiner – ich weiß gar nicht mehr welche – CDs laufen – bis er wieder frei und klar bei Bewusstsein war. Woher er die CD hatte und wie sie nach Afrika gelangt war, weiß ich bis heute nicht. Dass diese Leute extra zu uns kamen um das zu berichten und zu danken, werde ich niemals vergessen.

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Eine Entzugsklinik in Thüringen

Wieder sitze ich einer Gruppe von Männern gegenüber. Doch im Gegensatz zu den Gefangenen, die ich mehrmals in der Strafvollzugsanstalt besucht hatte und die teilweise kamen, um Abwechslung zu haben und mich zumindest erwartungsvoll ansahen, starren diese grimmig und abweisend vor sich hin. Ich möchte am liebsten weglaufen. Nach zwei Liedern hat sich noch nichts geändert. Ich will gerade die Veranstaltung abbrechen, als einer mich zornig angeht: „Was nützen mir hoffnungsvolle Lieder. Kein Mensch interessiert sich dafür, wie es mir geht, ob es mich gib, und was aus mir wird“. Auch, wenn ich erst erschrecke, sagt etwas in mir, dass es ein gutes Zeichen sei, dass sich dieser Mann öffnen konnte und seine Wut und Enttäuschung herausschrie.
Und es entwickelt sich ein Gespräch, wenn auch bitter und anklagend.
Ich frage schließlich nochmal: „Soll ich lieber aufhören?“
„Nein, nein, sing ruhig weiter. Dir nehmen wir ab was Du da verkündigst. Du bist authentisch“, ruft mir ein großer Mann zu, der bis dahin eher angriffslustig war. Heimlich greift ein anderer zu einem Liederbuch.
„Möchte sonst noch jemand ein Buch“, frage ich.
„Ja, ich“, ruft einer, springt auf, reißt mir ein Buch förmlich aus der Hand und drückt es an sich. Es ist ein kleiner, auffallend ordentlich gekleideter Mann, ein Arzt, wie ich anschließend erfuhr. Später, bei der Verabschiedung im Flur, hält er mich am Arm fest. „Ich glaube, ich werde es schaffen“, sagt er. „Ich bin am 24.12. geboren. Ist das ein Zeichen?“
Ich sage ihm, dass ich fest davon überzeugt bin, dass er es schafft. Und das meine ich sehr ernst. Nichts hilft einem mehr aus einer schweren Situation heraus als das Vertrauen eines anderen Menschen. Es ist ein Anker. Und ich werde dieser Anker für ihn sein.

Ein paar Monate später treffe ich eine Mitarbeiterin jener Anstalt. „Denken sie sich“, sagt sie, “seit Ihrem Besuch wird wieder gesungen. Jahrelang hatten sich die Männer dagegen gewehrt, doch sie sagen, Sie wären glaubwürdig.“
Es ist eine derartige Ehre, so etwas zu hören. Ich hoffe, dass mir so ein Erlebnis einfällt, wenn ich einmal unzufrieden und undankbar sein sollte über mein Schicksal!!! Oder aufgeben will mit meiner „Liedbotschaft“, weil die negativen Urteile darüber die Macht gewinnen.

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Ich habe auch mehrmals bei einer Veranstaltung der ‚Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen‘

Ich habe auch mehrmals bei einer Veranstaltung der ‚Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen‘ gesungen. Die Lieder „Mädchen“, „Ich weiß ich kann es“ oder „Wach auf“ wurden am meisten gewünscht. Und die Betroffenen kamen zu mir, ergriffen meine Hand und sagten: „Man fühlt, dass Sie unser Leid kennen. Sie sprechen uns aus dem Herzen. Sie haben das Gleiche erlebt wie wir, Sie wurden auch missbraucht, nicht wahr?“
Ja, ich kenne das Leid, wenn man missbraucht wird. Nicht körperlich. Davon blieb ich verschont. Aber seelisch. Wenn man „süchtig“ ist nach Liebe, Vertrauen, Glauben; wenn man gefangen ist in diesem Hunger und die Käfigtür nicht öffnen kann; wenn man sich wertlos fühl, Angst hat, Todesangst. Nach außen funktionieren muss und innerlich mehr und mehr abstirbt.

Aber heute bin ich dankbar für diese Erfahrungen. Weil ich nur so Menschen durch den dunklen Tunnel, in dem sie sich befinden, begleiten kann, um ihnen Mut und Zuversicht zu geben, den Weg in die Freiheit zu finden. Therapeuten können einem Patienten niemals wirklich helfen, wenn sie die Wege nur aus Lehrbüchern und nicht aus eigenem Erleben kennen.

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Ein Liedseminar in Sasbach bei Baden-Baden.

Es ist Freitagabend. Aufregung im Bildungshaus! Statt der fünfzehn angemeldeten Teilnehmer sind wir sechsundzwanzig. Betten fehlen.
Später, in der Vorstellungsrunde, sitzen sich 8 Leute, die schon öfter dabei waren, außerdem 12 Neue und zusätzlich 6 Ordensschwestern gegenüber, die unsicher um sich blicken, was sie erwartet. Im Gegensatz zu Pater Christian und meinem Mann fühle ich mich überfordert. Doch nach drei Liedern und der Vorstellungsrunde geht es schon ganz familiär zu, und ein Teilnehmer meint: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich nach so kurzer Zeit so gut fühlen würde, denn ich war sehr skeptisch.“ Die langen Pausen am Samstag zwischen den einzelnen Einheiten, um sich zu erholen, sich auszutauschen oder zu meditieren, findet er gut.
Jedoch nicht mehr am nächsten Tag! Da sind sie ihm viel zu lang und er verbringt ein Teil davon mit anderen vor dem CD-Player, um Lieder, die er noch nicht hörte, kennen zu lernen. Am Sonntagnachmittag trotz „Abschiedsschmerz“ überall lachende, frohe Gesichter.
Geschafft!! Ich bin dankbar, erleichtert und völlig platt.

Zum Glück haben Pater Christian und mein Mann wie immer die Gespräche mit den Teilnehmern übernommen. Ich war wie oft aus gesundheitlichen Gründen, schlimmen Blutungen oder Migräne nicht dazu in der Lage. Eine Ordensschwester nannte meinen Mann voller Dankbarkeit und aus ehrlichem Herzen den „Heiligen Josef“. Diese Bezeichnung behielt er für immer. Eine andere, die alles an der Pforte organsierte, wandte sich mit allen wichtigen Dingen nur an meinen Mann und meinte schnippisch, dass Pater Christian und ich ohne ihn völlig verloren wären. Ich fand das wunderbar. So sorgt Gott dafür, dass alle Beteiligten fair und gerecht behandelt werden.

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Ein Gottesdienst in der kath. Kirche in Rüdesheim.

Wir singen dort mit unserem Singkreis in der Nähe des Altars. Unten klatscht eine Gruppe begeistert und ein kleiner Mann tritt in den Gang heraus, klatscht weiter in die Hände und macht Tanzschritte. Nach der Messe kommt er – der Pfarrer der Gruppe wie ich erfahre, – auf mich zu. Er singt begeistert: „Bravo, bravissimo, bravo, bravissimo“ und erklärt mir auf Französisch, sie hätten zwar die Worte nicht verstanden, aber genau gefühlt, was wir hätten ausdrücken wollen. Er ist Belgier. Sie nehmen CDs mit nach Belgien.
Eine ältere, schwerhörige deutsche Kirchenbesucherin meint sichtlich erfreut: „Ich habe jedes Wort von euch verstanden.“
Das ist das häufigste Kompliment, das ich bekomme: Dass die Zuhörer problemlos alles verstehen können was ich singe.  Seltsam. Offenbar ist das leider nicht selbstverständlich. Inzwischen sind Tonträger meiner Lieder in Brasilien, Afrika, Kanada, Polen und Frankreich gelandet–vereinzelt natürlich. – Dennoch.

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Ich bekomme eine Kassette von einer entfernt wohnenden Bekannten, einer Lehrerin, zugeschickt.

Sie hat mein Weihnachtslied mit einer Schulklasse eingeübt und auf Wunsch der Kinder mit Orff`schen Instrumenten, Flöten und Glockenspielen eingeübt und dann in der Aula bei der Schulweihnachtsfeier vorgetragen. Das geschah ab da jährlich in dieser Schule. Ich bin tief gerührt, als ich mein Lied von den Kinderstimmen gesungen höre. Die Schüler liebten das Lied, erfahre ich.
Es erstaunt mich immer wieder, wo die Lieder überall auftauchen.
Eine gyn. Arztpraxis lässt die CD „Flamme des Lebens“ in den Umkleidekabinen laufen.
Eine Tanzlehrerin machte zu dem Lied Lebe!“ eine Choreografie und arbeitet damit in einem Seminar. und …und…und…..

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Immer wieder erlebe ich Dinge die mich betroffen machen

Beispielsweise kam eines Tages eine ganz scheue junge Frau zu uns in den Kreis, die aber bald zu einem tragenden Mitglied wurde. Die Familie war dem Kloster über viele Jahre bekannt, aber nicht, dass es da auch eine Tochter gab. Man kannte und wusste bis dahin nur von Söhnen. Jetzt war die Tochter aber plötzlich etwas Besonderes, weil sie bei uns mitsingen durfte.

Der Vater brachte seine Frau mit, die mich fasziniert anstarrte, besorgte sich dann bald eine CD und beschallte damit regelmäßig die ganze Straße. Ich war verblüfft. Das hätte ich niemals vermutet und fragte mich, was er wohl so interessantes an den Liedern finden könnte. Das erfuhr ich ein paar Jahre später von der Tochter. Eines meiner Lieder endet mit dem Bittruf an Gott: „Mach mich frei“. Der Vater jedoch verstand: „Mach mich high“ und schmetterte das begeistert raus.
Eben Gottes Humor. Dieser lenkte die Aufmerksamkeit des Mannes durch so ein Missverständnis auf sich.
Von nun an wunderte ich mich nicht mehr, dass ich manchmal in einen seltsamen Ruf geriet durch solche Missverständnisse!

Weitere Informationen über Karin Schneider’s Lebenslieder

Mein erstes Lied entstand als ich versuchte, mir ein paar Gitarrengriffe beizubringen. Keiner hätte darüber verwunderter sein können als ich selber, da ich weder theoretische noch praktische Musikkenntnisse besaß. Doch ich erkannte, dass ich damit eine Möglichkeit bekommen hatte, mich von schwerem Ballast der Vergangenheit zu befreien. Sie beschreiben meinen Lebensweg. Ich offenbarte darin meine Seele. Ich lernte, dass Gefühl und Begeisterung wichtiger sind und mehr bewirken können als Perfektion. Die Melodien sind einfach und eingängig, damit jeder sie mühelos nachvollziehen kann. Sie sollen den Text lediglich untermalen.